Herbst 1990: mit einem Kommilitonen auf dem Weg zu einer Fotoausstellung habe ich mich bei Kälte, Regen und nahender Finsternis auf Melaten verlaufen, ganz tolle Idee, diese Abkürzung. Umso weniger verfehlt der überlebensgroße Sensenmann seine Wirkung, der plötzlich furchterregend hinter einer Biegung unter den Bäumen steht. In der Rechten eine Sanduhr, in der Linken eine riesige Sense, so wartet er nicht nur auf verängstigte Studenten in der Großstadt.
Heute, „Sommer“ 2017: statt Sonnenschein ist weiterhin Regen angesagt, deswegen wappne ich mich mit passender Ausrüstung, um ihn wiederzusehen, den Sensenmann. Diesmal bin ich vorbereitet, es regnet auch nur ein paar Tropfen. Aber der Friedhof an sich ist so grün, finster und feucht, zudem wenn man so oft seinen eigenen Nachnamen sieht, so bin ich schon etwas „durch“, als ich zu ihm gelange. Während ich versuche, mich beim Fotografieren möglichst unauffällig zu verhalten, sausen um mich herum die Friedhofsgärtner mit ihren grünen Gefährten und dazu diverse Radfahrer, die nicht alle zum Personal gehören können. Trotzdem ist es überaus ruhig – mal von den Rufen des Bussards abgesehen –, friedlich und beängstigend schön hier.